Samstag, 20. Dezember 2014

Politik und Religion....Vom "Kampf der Kulturen", dem "Aufstieg Chinas", den "Amerikanischen Interessen". (Huntington ..und die leider immer noch aktuelle Strategiefülle geistigen Vakuums)

                                              


Diese Gedankengänge entstammen einem Manuskript von 2004 und sollten als Anhang etwas ausführlicher auf die Literatur anderer Autoren eingehen. 
 
Zum speziellen Thema "Kampf der Kulturen", das in diversen Varianten immer noch und immer wieder die weltpolitische Szenerie beherrscht, hier ein Textauszug von "2004




Politik, Ideologien und Religion

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Einige sehr beachtenswerte Anmerkungen zu Ideologien und Religion findet man in „Kampf der Kulturen“ von Samuel P. Huntington:


  • „Die großen politischen Ideologien des 20. Jahrhunderts heißen Liberalismus, Sozialismus, Anarchismus, Korporatismus, Marxismus, Kommunismus, Sozialdemokratie, Konservatismus, Nationalismus, Faschismus, christliche Demokratie. Ihnen allen ist eines gemeinsam: Sie sind Produkte der westlichen Kultur. Keine andere Kultur hat eine signifikante politische Ideologie erzeugt. Der Westen hingegen hat niemals eine große Religion hervorgebracht. Die großen Religionen der Welt sind ausnahmslos in nichtwestlichen Kulturen entstanden und in den meisten Fällen älter als die westliche Kultur. In dem Maße, wie die Welt ihre westliche Phase hinter sich läßt, verfallen die Ideologien, die für die späte westliche Zivilisation typisch waren, und an ihre Stelle treten Religionen und andere kulturell gestützte Formen von Identität und Bindung. Die im Westfalischen Frieden etablierte Trennung von Religion und internationaler Politik, ein ureigenes Ergebnis westlicher Kultur, geht zu Ende, und die Religion wird, wie Edward Mortimer vermutet, »mit zunehmender Wahrscheinlichkeit in die internationalen Angelegenheiten eindringen«. Die intrakulturelle Auseinandersetzung um die politischen Ideen aus dem Westen wird abgelöst von einer interkulturellen Auseinandersetzung um Kultur und Religion.“

Die Einschätzung, der Westen habe keine Religion hervorgebracht, ist nur in sehr reduzierter Sichtweise richtig. Denn das stimmt nur, wenn man in der Religionsentwicklung in einer alttestamentlichen Anschauung einer Religion für ein „Volk“, eine „Kultur“ oder ähnliche Fakten stehen bleibt. Das „Christentum“ ist zwar räumlich nicht im Westen hervorgebracht worden, doch hat es sich im Westen verbreitet, weil hier, zumindest in den ersten Jahrhunderten, der allgemein menschliche, der universale Charakter des Christentums, fruchtbar werden konnte. In diesem Sinn hat der Westen durchaus eine „große Religion hervorgebracht.“
Daher stimmt es nicht, wenn Huntington im Westen nur die „intrakulturelle“ Auseinandersetzung um die „politischen Ideen“ sieht. „Kultur und Religion“, waren und sind im Westen tief verwurzelt. Sonst wären sie nicht so umfassend umzupolen, wie im letzten Jahrhundert geschehen. Und sie werden mit jedem gruppenegoistischem  „Gott mit u n s“ immer noch umgepolt.
Wenn also „die Religion mit zunehmender Wahrscheinlichkeit in die internationalen Angelegenheiten eindringen wird,“ so wird auch der Westen sich dem mit seiner „großen Religion“ zu stellen haben. Das ist aber nicht, jedenfalls nicht in ihrer eigentlichen Tiefe, die Gesinnungsbrei-Religion nach amerikanischen Welteroberungszuschnitt, sondern die universale Befähigungsreligion für Mensch und Erde.
Und als solche hatte sie weder etwas auf den Koppelschlössern der deutsche Wehrmachtsoldaten, noch im Hitlerfaschismus, noch hat sie bei heutigen Armageddon-Endzeitfanatiker etwas verloren.
Wenn sich da „Religion und Kultur“ in der eigentlichen Aufgabe des Westens, nämlich die Kultur der Freiheit (und Liebe) herauf zu bringen, zeigen soll, dann muss etwas ganz anderes als weltpolitische Option erscheinen, als ein internationaler Atomkrieg, wie ihn Huntington beschreibt:

  • „KRIEG DER KULTUREN UND WELTORDNUNG
    Ein globaler Krieg unter Beteiligung der Kernstaaten der großen Kulturkreise der Welt ist höchst unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich. Entstehen könnte ein solcher Krieg, wie wir angedeutet haben, aus der Eskalation eines Bruchlinienkrieges zwischen Gruppen aus verschiedenen Kulturen, am wahrscheinlichsten unter Beteiligung von Muslimen auf der einen Seite und Nichtmuslimen auf der anderen. Eine Eskalation wäre vorstellbar, wenn mögliche muslimische Kernstaaten miteinander in der Hilfeleistung für ihre bedrängten Glaubensgenossen wetteifern. Sie könnte gedämpft werden durch das Interesse, das verwandte Sekundär- und Tertiärländer daran haben mögen, selber nicht tief in den Krieg hineingezogen zu werden. Eine gefährlichere Quelle eines weltweiten interkulturellen Krieges könnte eine Verschiebung des Machtgleichgewichts zwischen Kulturkreisen und ihren Kernstaaten sein. Falls er weiter andauert, wird der Aufstieg Chinas, verbunden mit dem zunehmenden Selbstbewußtsein dieses »größten Mitspielers in der Geschichte des Menschen«, die internationale Stabilität zu Beginn des 21. Jahrhunderts enormen Belastungen aussetzen. Der Aufstieg Chinas zur beherrschenden Macht in Ost- und Südostasien würde den amerikanischen Interessen, wie sie immer wieder gesehen worden sind, diametral zuwiderlaufen.
    Wie könnte sich bei dieser amerikanischen Interessenlage ein Krieg zwischen den USA und China entwickeln? Angenommen, wir haben das Jahr 2010. Die amerikanischen Truppen haben das mittlerweile wiedervereinigte Korea verlassen, ihre Militärpräsenz in Japan haben die USA stark reduziert. Taiwan und Festlands - China haben eine Verständigung erzielt, wonach Taiwan weiterhin den größten Teil seiner faktischen Unabhängigkeit behält, jedoch ausdrücklich die Souveränität Beijings anerkennt und mit Unterstützung Chinas in die UNO aufgenommen worden ist, wie die Ukraine und Weißrußland 1946. Die Erschließung der Erdölreserven im Südchinesischen Meer ist rasch vorangekommen, im wesentlichen unter chinesischen Vorzeichen, aber mit vietnamesischer Kontrolle über einige Gebiete, die von amerikanischen Firmen erschlossen werden.
Soweit also Huntingtons Vorgaben für einen Krieg, der wiederum „den amerikanischen Interessen, wie sie immer wieder gesehen worden sind,“ dienen soll.

Über einige Seiten beschreibt Huntington dann den weiteren Verlauf dieses Krieges unter anderem:

  • „Noch bevor jedoch die NATO agieren kann, marschiert Serbien, das den Ehrgeiz hat, auf seine historische Rolle als Verteidiger des Christentums gegen die Türken zu pochen, in Bosnien ein. Kroatien beteiligt sich, und die beiden Länder besetzen Bosnien, erbeuten die Raketen, teilen das Land auf und setzen ihre Bemühungen um Vollendung der ethnischen Säuberungen fort, die sie in den neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts hatten abbrechen müssen. Albanien und die Türkei versuchen, den Bosniern zu helfen; Griechenland und Bulgarien marschieren im europäischen Teil der Türkei ein, und in Istanbul bricht Panik aus, als Türken über den Bosporus fliehen. Unterdessen explodiert eine in Algerien abgefeuerte Rakete mit nuklearem Sprengkopf in der Nähe von Marseille, und die NATO unternimmt zur Vergeltung verheerende Luftangriffe auf nordafrikanische Ziele.So verwickeln sich die USA, Europa, Rußland und Indien in einen wahrhaft globalen Kampf gegen China, Japan und den größten Teil des Islam. Wie würde ein solcher Krieg ausgehen? Beide Seiten verfugen über große Kernwaffenpotentiale, und sofern diese auf eine nicht nur minimale Weise ins Spiel gebracht würden, könnte es offenkundig in den wichtigsten Ländern zu umfassenden Zerstörungen kommen. Falls jedoch die beiderseitige Abschreckung funktioniert, könnte die beiderseitige Erschöpfung zur Aushandlung eines Waffenstillstandes fuhren, der allerdings das Grundproblem der chinesischen Hegemonie in Ostasien nicht lösen würde.“„Welchen unmittelbaren Ausgang dieser globale Krieg zwischen Kulturen auch nehmen mag - gegenseitige nukleare Verwüstung, ausgehandelte Einstellung infolge beiderseitiger Erschöpfung oder sogar Aufmarsch russischer und westlicher Truppen auf dem Platz des Himmlischen Friedens -, das umfassendere langfristige Ergebnis wäre fast zwangsläufig eine drastische Einbuße an wirtschaftlicher, demographischer und militärischer Macht auf Seiten aller Hauptbeteiligten des Krieges.“„Infolgedessen würde die globale Macht, die sich im Laufe der Jahrhunderte vom Osten zum Westen verschoben hatte und danach begann, sich wieder vom Westen zum Osten zu verschieben, sich nunmehr vom Norden zum Süden verlagern. Die großen Nutznießer des Krieges zwischen den Kulturen sind diejenigen Kulturen, die sich aus ihm herausgehalten haben.“

In diesem Szenario steht ziemlich viel drin. Wir lesen alo: „Beide Seiten verfügen über große Kernwaffenpotentiale, und sofern diese auf eine nicht nur minimale Weise ins Spiel gebracht würden, könnte es offenkundig in den wichtigsten Ländern zu umfassenden Zerstörungen kommen.“ „Unterdessen explodiert eine in Algerien abgefeuerte Rakete mit nuklearem Sprengkopf in der Nähe von Marseille“ Oder, im Kontext unbegrenzter Imagination „sogar Aufmarsch russischer und westlicher Truppen auf dem Platz des Himmlischen Friedens“ usw.- usw.
Nur von der geschändeten Erde liest man in diesem Huntington-Szenario nicht ein einziges Wort. Von einer Erde, die atomar verwüstet wird – kein Wort. Alles bleibt im schreckfreien Raum. Blass, bildlos und distanziert bleibt alle Sprache auch dort wo es zu „umfassenden Zerstörungen kommen wird.“
Denn was soll man sich vorstellen unter: „Unterdessen explodiert eine in Algerien abgefeuerte Rakete mit nuklearem Sprengkopf in der Nähe von Marseille“
Aber es wird die Vergeblichkeit und unendliche Dummheit eines solchen Krieges wieder erst im nachhinein bemerkt. Denn: „Die großen Nutznießer des Krieges zwischen den Kulturen sind diejenigen Kulturen, die sich aus ihm herausgehalten haben.“ (Es wird höchste Zeit, das sich alle vorher „heraushalten!“)

Das sind also die strategischen Studien von führenden Köpfen der politischen Weltelite mit denen durchaus realpolitische Optionen beschrieben werden. So hochintelligent können auch in diesen Zeiten Menschen auf der Erde leben, ohne überhaupt die Erde mit ihren Lebensaspekten ins Bewusstsein aufgenommen zu haben.
Und da erweist sich selbst der versöhnlich anstimmende Schluss in Huntingtons Werk als Edelphrase:

  • „Die Zukunft des Friedens und der Zivilisation hängt davon ab, daß die führenden Politiker und Intellektuellen der großen Weltkulturen einander verstehen und miteinander kooperieren. Im Kampf der Kulturen werden Europa und Amerika vereint marschieren müssen oder sie werden getrennt geschlagen. In dem größeren Kampf, dem globalen »eigentlichen Kampf« zwischen Zivilisation und Barbarei sind es die großen Weltkulturen mit ihren großen Leistungen auf dem Gebiet der Religion, Kunst und Literatur, der Philosophie, Wissenschaft und Technik, der Moral und des Mitgefühls, die ebenfalls vereint marschieren müssen, da auch sie sonst getrennt geschlagen werden.“

Wenn 
„in dem größeren Kampf, dem globalen »eigentlichen Kampf« zwischen Zivilisation und Barbarei ...“ nicht die Erde selbst als kosmisches Wesen, zur Kultur und zum Empfänger von „Mitgefühl“ erhoben wird, wird es keinen Unterschied zwischen der „Zivilisation“ und der „Barbarei“ geben. Von wahrer „Weltkultur“ ganz zu schweigen.
Daher ist Huntington noch immer hochaktuell. Zumal, wie bereits gesagt, seine strategischen Einschätzungen. insbesondere was "werden Europa und Amerika vereint marschieren müssen..." anbelangt, nicht ins „Blaue“ hinein gesagt sind.


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